Ein Bür­ger­recht – jedoch viel­fäl­ti­ge Anforderungen

Teil 1 der Serie: Sind die Ein­bür­ge­rungs­vor­aus­set­zun­gen noch zeitgerecht?

In den ver­gan­ge­nen Jah­ren haben die Stim­men, wel­che die Ver­ein­fa­chung des restrik­ti­ven Ein­bür­ge­rungs­ver­fah­rens ver­lan­gen, zuge­nom­men. Auch die Schwei­ze­ri­sche Beob­ach­tungs­stel­le für Asyl- und Aus­län­der­recht (SBAA) for­der­te in ihrem Fach­be­richt von 2021 (Ein­bür­ge­rung – Der stei­ni­ge Weg zum Schwei­zer Pass), dass die hohen Vor­aus­set­zun­gen gesenkt wer­den müssen.

Auf Bun­des­ebe­ne wird sta­tu­iert, wel­che Min­dest­vor­aus­set­zun­gen die gesuch­stel­len­den Per­so­nen für die ordent­li­che Ein­bür­ge­rung erfül­len müs­sen. Bereits die­se Anfor­de­run­gen sind enorm streng, auf kan­to­na­ler Ebe­ne liegt die Mess­lat­te aber oft noch höher. Im Fol­gen­den wer­den die kan­to­na­len Dif­fe­ren­zen anhand von eini­gen wesent­li­chen Kri­te­ri­en und ver­fah­rens­recht­li­chen Pro­ble­ma­ti­ken aufgezeigt.

Auf­ent­halts­dau­er

Der Bund for­dert einen Auf­ent­halt von min­des­tens zehn Jah­ren in der Schweiz (Art. 9 BüG). Dies­be­züg­lich bestehen nicht nur zwi­schen den Kan­to­nen gros­se Unter­schie­de, son­dern auch in den Gemein­den selbst. Bei­spiels­wei­se ver­langt der Kan­ton St. Gal­len, dass die Gesuch­stel­len­den in den letz­ten fünf Jah­ren in der­sel­ben Gemein­de Wohn­sitz hat­ten, bevor sie ihr Gesuch ein­rei­chen kön­nen (Art. 9 BRG Kt. SG). Dies bedeu­tet kon­kret, dass bei­spiels­wei­se nach einem Weg­zug aus einer Gemein­de ins Nach­bars­dorf die War­te­zeit noch­mals von vor­ne beginnt. Die­se zusätz­li­che Hür­de führt zu Ver­zö­ge­run­gen und ist für die SBAA sinn­los. Schliess­lich kön­nen die Betrof­fe­nen nach ihrer Ein­bür­ge­rung ihren Wohn­sitz inner­halb der gan­zen Schweiz frei wählen.

Sozi­al­hil­fe­be­zug

Auch beim Sozi­al­hil­fe­be­zug unter­schei­den sich die Anfor­de­run­gen von Kan­ton zu Kan­ton. Wäh­rend der Kan­ton Bern den Nicht­be­zug von Sozi­al­hil­fe für die letz­ten zehn Jah­re ver­langt (Art. 12 KBüG Kt. BE), stel­len die Kan­to­ne Solo­thurn und St. Gal­len kei­ne eige­nen Anfor­de­run­gen in die­sem Bereich. In letz­te­ren Kan­to­nen gilt also «bloss» der drei­jäh­ri­ge Zeit­rah­men gemäss Bun­des­ver­ord­nung (Art. 7 BüV). Wie der Bund ver­lan­gen eini­ge Kan­to­ne, wie bei­spiels­wei­se Aar­gau, Bern und Grau­bün­den, die Rück­zah­lung der bezo­ge­nen Leis­tun­gen. Eini­ge gehen noch wei­ter und for­dern auch die Rück­zah­lung von Arbeits­in­te­gra­ti­ons­mass­nah­men. Die SBAA kri­ti­siert letz­te­res, da dies nicht den sozi­al­po­li­ti­schen Ziel­set­zun­gen des Bun­des ent­spricht. All­ge­mein ist es für die SBAA nicht halt­bar, dass der unver­schul­de­te Sozi­al­hil­fe­be­zug ein Ein­bür­ge­rungs­hin­der­nis dar­stellt, weil dadurch die Inte­gra­ti­on bzw. der Zugang zum Bür­ger­recht zusätz­lich erschwert wird.

Sprach­kom­pe­ten­zen

Eine wei­te­re Hür­de bil­den die gefor­der­ten Sprach­kom­pe­ten­zen. 2018 wur­den in der eid­ge­nös­si­schen Ver­ord­nung die erfor­der­li­chen Niveaus fest­ge­legt (Art. 6 BüV), wonach münd­li­che Sprach­kom­pe­ten­zen auf Niveau B1 sowie schrift­li­che Sprach­kom­pe­ten­zen auf Niveau A2 nach­ge­wie­sen wer­den müs­sen. Die meis­ten Kan­to­ne stel­len dies­be­züg­lich die glei­chen Anfor­de­run­gen wie der Bund. Es gibt jedoch Kan­to­ne, u.a. Schaff­hau­sen und Thur­gau, wel­che schrift­lich Sprach­ni­veau B1 und münd­lich sogar B2 for­dern (Art. 5 KBüV Kt. SZ und Art. 6 KBüG Kt. TG). Für Per­so­nen mit einem gerin­gen Bil­dungs­ni­veau oder einer Lern­schwä­che bil­den die­se hohen Vor­aus­set­zun­gen ein gros­ses Hin­der­nis. Die SBAA begrüsst die ein­heit­li­che Rege­lung in der BüV, die kan­to­na­len stren­ge­ren Vor­aus­set­zun­gen ver­wäs­sern jedoch das Ziel die­ser Norm. Zudem for­dert die SBAA, dass die Sprach­anfor­de­run­gen bei Per­so­nen mit den oben beschrie­be­nen erschwer­ten Bedin­gun­gen ange­passt werden.

Gemein­de­ver­samm­lung

Diver­se kan­to­na­le Bür­ger­rechts­ge­set­ze sehen noch heu­te die Mög­lich­keit vor, dass die Stimm­be­rech­tig­ten an einer Gemein­de­ver­samm­lung über Ein­bür­ge­rungs­ge­su­che ent­schei­den. Die­ses Vor­ge­hen birgt eini­ge Pro­ble­me in sich: Einer­seits besteht die Gefahr, dass die Stimm­be­rech­tig­ten will­kür­lich ent­schei­den, ande­rer­seits kann die Pri­vat­sphä­re der gesuch­stel­len­den Per­son nicht umfas­send geschützt wer­den. Aus die­sen Über­le­gun­gen ver­langt die SBAA, dass die Abstim­mun­gen über die Ein­bür­ge­rung an Gemein­de­ver­samm­lun­gen abge­schafft werden.

Gebüh­ren

Gemäss Bun­des­ge­setz dür­fen die Gebüh­ren für Ein­bür­ge­rungs­ver­fah­ren höchs­tens kos­ten­de­ckend sein (Art. 35 BüG). Die Kos­ten vari­ie­ren jedoch von Kan­ton zu Kan­ton. Wäh­rend der Kan­ton Schwyz für die ordent­li­che Ein­bür­ge­rung einer Ein­zel­per­son 100.- Fr. ver­langt (Art. 20 KBüV Kt. SZ), kann es im Kan­ton Basel-Land­schaft je nach Auf­wand bis zu 3‘000.- Fr. betra­gen (Art. 31 BüG Kt. BL). Wie­der­um eini­ge Kan­to­ne sehen Gebüh­ren­min­de­rung bzw. ‑erlass bis zum 25. Alters­jahr (Art. 30 KBüV Kt. ZH) oder bei finan­zi­el­len sowie gesund­heit­li­chen Här­te­fäl­len (Art. 30a BüRV Kt. BS) vor. Die SBAA begrüsst die­se Vor­keh­run­gen. Sie genü­gen jedoch nicht, da der Zugang zum Bür­ger­recht nie­man­dem nur aus finan­zi­el­len Grün­den ver­wehrt blei­ben sollte.

Die erwähn­ten Kri­te­ri­en illus­trie­ren, wie unter­schied­lich die Ein­bür­ge­rungs­vor­aus­set­zun­gen in den ver­schie­de­nen Kan­to­nen aus­ge­stal­tet sind. Frag­lich ist, inwie­fern sich die kan­to­na­le Sou­ve­rä­ni­tät in die­sem Bereich recht­fer­ti­gen lässt, da schluss­end­lich das Bür­ger­recht für die gesam­te Schweiz erwor­ben wird – und nicht bloss für einen ein­zel­nen Kan­ton. Die SBAA wird des­halb im lau­fen­den Jahr auf kan­to­na­ler Ebe­ne ver­schie­de­ne Podi­ums­dis­kus­sio­nen orga­ni­sie­ren und sich dafür ein­set­zen, dass die Ein­bür­ge­rungs­ver­fah­ren fai­rer, chan­cen­ge­rech­ter und ein­heit­li­cher aus­ge­stal­tet werden.