50 Jah­re Hilfs­werks­ver­tre­tung neh­men ein Ende

Im Rah­men des neu­en Asyl­ver­fah­rens wur­de die Hilfs­werks­ver­tre­tung durch die Rechts­ver­tre­tung ersetzt. Was lässt sich aus 50 Jah­ren Hilfs­werks­ver­tre­tung lernen?

Nebst vie­len ande­ren Ver­än­de­run­gen im neu­en, beschleu­nig­ten Asyl­ver­fah­ren, wel­ches seit 1. März 2019 in Kraft ist, wur­de die Hilfs­werks­ver­tre­tung (HWV) durch ein neu­es Rechts­schutz­mo­dell der unent­gelt­li­chen Bera­tung und Rechts­ver­tre­tung ersetzt. Für Per­so­nen, die vor die­sem Datum ein Asyl­ge­such ein­reich­ten, gilt jedoch nach wie vor das bis­he­ri­ge Sys­tem. Die Hilfs­werks­ver­tre­tung gab es wäh­rend 50 Jah­ren. Was kann man aus die­sen lang­jäh­ri­gen Erfah­run­gen und dem erar­bei­te­ten Wis­sen für das neue Rechts­schutz­mo­dell mitnehmen?

Der Arti­kel „Rechts­schutz oder Ali­bi­übung?“ in der Fach­zeit­schrift Asyl (ASYL1/2019) von Ste­pha­nie Gun­di und Marc Pri­ca gibt einen wich­ti­gen Ein­blick in die lang­jäh­ri­gen Erfah­run­gen der HWV. Es ist bedau­er­lich, dass im Rah­men der Ein­füh­rung des neu­en Asyl­ver­fah­rens bis­her nicht viel über die 1968 ein­ge­führ­te Hilfs­werks­ver­tre­tung und deren Erkennt­nis­sen berich­tet wurde.

Laut Gun­di und Pri­ca stell­te die Hilfs­werks­ver­tre­tung eine wich­ti­ge Vor­stu­fe für die aktu­el­le Ver­bes­se­rung des Rechts­schut­zes für Asyl­su­chen­de dar und war ein unab­ding­ba­rer Schritt in der insti­tu­tio­na­li­sier­ten Zusam­men­ar­beit zwi­schen Behör­den und Hilfswerken.

Die Hilfs­werks­ver­tre­ten­den setz­ten sich für die asyl­su­chen­den Per­so­nen ein, indem sie die Asyl­an­hö­run­gen aktiv beob­ach­te­ten und so dar­auf ach­te­ten, dass die Ver­fah­rens­vor­schrif­ten ein­ge­hal­ten wur­den. In die­ser Rol­le konn­ten HWV ergän­zen­de Fra­gen stel­len, eine erneu­te Anhö­rung anre­gen, bei Pro­ble­men inter­ve­nie­ren und das Unter­schrif­ten­blatt nut­zen, um Beob­ach­tun­gen und Anre­gun­gen wie z.B. zusätz­li­che medi­zi­ni­sche Abklä­run­gen festzuhalten.

Die Erfah­run­gen ver­schie­de­ner Hilfs­werks­ver­tre­ten­den wider­spie­geln die anspruchs­vol­le Tätig­keit als HWV, die viel Fach­wis­sen und Fein­ge­fühl benö­tigt. So war es für HWV her­aus­for­dernd, zwi­schen den unter­schied­li­chen Rol­len von Asyl­su­chen­den, Dol­met­schen­den und Befra­gen­den in den stets wech­seln­den Teams zu ver­han­deln. Zudem zei­gen die Erfah­run­gen von HWV, dass das Zwi­schen­mensch­li­che in Asyl­an­hö­run­gen eine zen­tra­le Rol­le spielt. Bei­spiels­wei­se beein­flus­sen Mimik und Ges­tik sowie eine ungüns­ti­ge Anhö­rungs­at­mo­sphä­re das Aus­sa­ge­ver­hal­ten der asyl­su­chen­den Personen.

Auch aus beob­ach­te­ten Ver­fah­rens­feh­lern kann der zukünf­ti­ge Rechts­schutz pro­fi­tie­ren. HWV inter­ve­nier­ten u.a. bei Über­set­zungs­feh­lern, die zu Wider­sprü­chen in den Asyl­grün­den führ­ten, bei feh­len­der oder feh­ler­haf­ter Pro­to­kol­lie­rung, unan­ge­mes­se­nen Fra­gen oder unge­nü­gen­der Abklä­rung der Asyl­grün­de. Zudem kamen die HWV von aus­sen. Da sie nur an der Anhö­rung anwe­send waren, konn­ten sie eine distan­zier­te­re Posi­ti­on zum Ver­fah­ren ein­neh­men – dies könn­te für Rechts­ver­tre­ten­de, die in den Bun­des­asyl­zen­tren unter dem­sel­ben Dach wie das SEM arbei­ten, eine Her­aus­for­de­rung darstellen.

Mit der Ein­füh­rung der Rechts­ver­tre­tung im neu­en Asyl­ver­fah­ren ver­schiebt sich der Fokus von der Beob­ach­t­er­funk­ti­on mit Inter­ven­ti­ons­mög­lich­kei­ten hin zu einer juris­ti­schen Ver­tre­tung. Wie die Hilfs­werks­ver­tre­tung ihre Rol­le aus­han­deln muss­te, wird auch die Rechts­ver­tre­tung Aus­dau­er und Ver­hand­lungs­ge­schick brau­chen und ihre Hand­lungs­mög­lich­kei­ten ein­for­dern müs­sen. Frag­lich ist jedoch, ob im beschleu­nig­ten Ver­fah­ren trotz der for­ma­li­sier­ten und beschleu­nig­ten Abläu­fe genü­gend Zeit und Platz besteht, um zwi­schen­mensch­li­che, kul­tu­rel­le und per­sön­li­che Per­spek­ti­ven zu berück­sich­ti­gen, die in der Anhö­rung von gros­ser Bedeu­tung sind und von Hilfs­werks­ver­tre­tun­gen beob­ach­tet und fest­ge­hal­ten wurden.